Einzigartige Fotos (Michael Freeman)

Ohne Motiv gibt es kein Foto. Obwohl der Zugang zum Motiv somit offensichtlich die Basis für jegliche fotografische Aktivität darstellt, musste man bis jetzt auf diese spezialisierte und umfassende Aufbereitung warten. Mir zumindest ist nichts vergleichbares bekannt.

Technik, Abläufe und Zusammenhänge beim Fotografieren werden als bekannt  vorausgesetzt und tatsächlich auch nicht weiter erläutert. Die sonst so häufige Wiederholung von Banalitäten wird hier erfreulicher Weise vollständig vermieden.

Ein gutes Foto soll über das Motiv eine Wirkung beim Betrachter auslösen und diese Wirkung wird als planbar und beeinflussbar eingestuft.

Freeman beschreibt strukturiert, wie man sich selber als individuelle Persönlichkeit in ein Motiv „einbringt“, um so etwas darzustellen, was nicht offensichtlich ist somit nicht von jedem sofort gesehen werden kann.

Obwohl er selber ein extrem erfahrener Fotograf ist, verwendet er in diesem Buch neben eigenen Fotos auch sehr häufig Fotos von anderen. So kann er objektiv das Geschehen von zwei Seiten aus analysieren und kommentieren. Er ist sowohl Betrachter als auch Fachmann, der weiß, wie derartige Bilder entstehen können. Manchmal ist es eher frustrierend, denn motivierend, zu lesen, wieviel Planung, Vorbereitung, Glück und Geduld es benötigt, bis einem ein Motiv begegnet, welches man dann aber auch noch erkennen muss. Einfach wirkende Bilder betrachte ich jetzt mit einem ganz anderen Respekt. Viele Kapitel beinhalten auch den Zugang zu Menschen, durch den erst lebhafte und spezielle Fotos entstehen können und viele der Fotos bilden dann auch diese Menschen ab. Aufgrund rechtlicher Vorgaben stelle ich es mir aber ausreichend kompliziert vor, die benötigten schriftlichen Einwilligungen in der Frankfurter U-Bahn oder auf dem Wochenmarkt etc. zu erhalten. Freeman sieht dies pragmatisch. Nach seiner Auffassung muss man sich halt ständig zwischen „Erlaubnis und Vergebung“ entscheiden.

Folgendes Zitat beschreibt den gesamten Inhalt des Buches: „Eine solche Aufnahme ist kein Zufall, sondern eine Berechnung, dass etwas geschehen könnte und man am richtigen Ort ist.“

Freeman beschreibt die Parameter und die Formel dieser Berechnung und ermöglicht somit, sich bewusst einen Ort auszusuchen und „zu berechnen“, wann dort etwas Planbares geschehen wird. Er beschreibt auch die Schwierigkeiten, auf die man beim Zugang zu diesem „Ort“ stößt und wie man diese umgehen könnte.

Das Buch ist eine Art „lesbarer Workshop“ aus Erfahrungsberichten ganz unterschiedlicher Fotografen und konkreten Beispielen. Dies macht es so plausibel und nachvollziehbar. Alle Fotos in diesem Buch sind bewusst, geplant und im Zusammenhang mit Projekten entstanden. Es motiviert so auch eingefleischte Stubenhocker, loszuziehen und aktiv Motive zu generieren.

(Manfred Klimmeck)