Wer, wie ich, seit Jahrzehnten versucht, „gute“ Fotos zu erstellen, liest auch sehr vieles zu diesem Thema.
Licht als Basiszutat eines Fotos wird in der Veröffentlichungen sehr häufig behandelt. Es gibt dann hartes und weiches Licht, Gegenlicht, die goldene Stunde und vereinzelte Themen mehr. In den letzten Jahren war „Verfügbares Licht“ oder „available Light“ eine Modeerscheinung, die immer mal wieder in einzelnen Artikeln, durchaus interessant und informativ, behandelt wurden.
Im Buch von Michael Freeman „Capturing Light Vorhandenes Licht in der Fotografie einfangen und optimal nutzen“ beschäftigt sich der Autor jedoch nicht nur auf den üblichen 3-4 Seiten sondern auf 256 Seiten mit diesem einen Thema. Wäre dieses Buch nicht von Michael Freeman, dessen Veröffentlichungen aber auch Blogs ich sehr schätze und nicht mehr missen möchte, hätte ich mir dieses Buch nicht angetan.
Allerdings hätte ich dies unendlich bereut, denn dieses Buch hat nichts zu tun mit den Erwartungen, die ich hatte.
Auf tatsächlich nur 1-2% aller Seiten findet man ein Histogramm und/oder Hinweise dazu, wie man damit umgeht. Man findet keine Hinweise oder Empfehlungen zu Kameratypen, Objektiven und Brennweiten, Einstellungen von Blende, Verschlusszeiten oder ISO. Es gibt auch fast keine Hinweise zur nachträglichen Bearbeitung oder Optimierung. Jeder Besitzer einer Analog-Kamera kann denselben Nutzen aus diesem Buch ziehen, wie der einer hochmodernen Digitalkamera der neuesten Generation.
Dieses Buch behandelt „Foto“-„Grafie“ im ursprünglichen Wortsinn, es behandelt Lichtmalerei.
Über 100 unterschiedliche Lichtsituationen werden auf jeweils einer Doppelseite beschrieben. Was unterscheidet diese Situation von einer anderen? Für welche Art von Motiven eignet sich diese Situation und wann stört dies? Wie kann man genau diese Situation planen und herbeiführen?
Nach der Lektüre dieses Buches ist Fotografie für mich nicht mehr wie vorher.
Natürlich darf man immer noch unbeschwert knipsen. Fotografie ist aber offensichtlich ein aktiv gestalterischer Akt, der im Vorfeld bewusst geplant werden kann.
Verglichen mit der Bildhauerei von Michelangelo – ich weiß, dass dieser Vergleich an vielen Stellen Schwächen hat – ist z.B. die Landschaft, die Personengruppe oder eine Gebäudeansicht der Marmorblock und das Licht ist der Meißel. Wer das Licht nicht optimal einsetzen kann, wird nie bewusst und willentlich ein Kunstwerk erschaffen können, so wie er es gerne wollte.
Wer will und wer sich darauf einlässt, den kann dieses Buch auf eine höhere Ebene seiner Art zu „Foto“-„grafieren“ heben.
(Manfred Klimmeck)